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UMGANG MIT UNRECHT

Dinge so zu betrachten wie sie sind, ohne zu beurteilen

Menschen haben oft ein gutes Gespür dafür, was Recht und was Unrecht ist. Doch in vielen Fällen glauben beide beteiligten Seiten im Recht zu sein, was dann Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigt, häufig nicht zu jenem Ergebnis führt, das man erhofft hat, und zusätzlich noch eine Stange Geld kostet. Unter Juristinnen und Juristen ist bekannt, dass das Rechtssystem zwar Rechtssicherheit schaffen kann, es in vielen Fällen aber nicht gelingt, Gerechtigkeit und einen tragfähigen Ausgleich zwischen den Streitparteien zu schaffen, der neben einer klaren Regelung auch einen inneren Frieden für die Beteiligten mit sich bringt. Hier muss ehrlich gesagt werden, dass es den Gerichten und Behörden oft schlicht nicht möglich ist, alle relevanten Faktoren mit zu berücksichtigen. Wie sollte ein Gericht zB die subtilen und oft auch den Beteiligten nicht bewussten psychischen Abläufe in einer Partnerschaft berücksichtigen, wenn es um eine Scheidung geht. Vor Gericht zählen die beweisbaren Fakten. Da ist wenig Raum für innerpsychische Vorgänge. Mit oder ohne Unterstützung der staatlichen Rechtssysteme bleibt daher oft ein Gefühl von Unrecht und Ohnmacht zurück. An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie man mit unveränderlichem Unrecht umgehen kann.

Ein Ansatz besteht darin, dass man versucht, die Beurteilungsebene zu verlassen. Wir sind es gewohnt, Sachverhalte logisch zu erfassen, Zusammenhänge mit den Maßstäben unserer Vernunft zu beurteilen und uns von vergangenen Erfahrungen emotional leiten zu lassen. In der westlichen Kultur haben wir wenig Übung darin, aus der Rationalität auszusteigen und das Irrationale zuzulassen. Der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti lädt uns in diesem Zusammenhang ein, die Dinge so zu betrachten wie sie sind, ohne zu beurteilen. Der Verstand versucht ständig, die Dinge so zu verändern, wie er sie für richtig hält. Dabei wird verabsäumt, einfach zu beobachten, was ist und ganz tiefgreifend zu sehen, was passiert. Bei diesem Ansatz geht es darum, beim Unrecht stehen zu bleiben, es zu betrachten und seine gesamte Struktur kennen zu lernen. Man kämpft gegen das Unrecht nicht an, man verdrängt und ignoriert es aber auch nicht, sondern bleibt bei ihm stehen und beobachtet es in all seinen Nuancen. Ein Geist, der das Wesen und die Struktur des Unrechts schlagartig erkennt, kann sich davon befreien. Es ist zwar noch immer da, aber wir haben gelernt, was wir zu lernen hatten. Erst wenn wir das Unrecht in seiner vollen Tiefe jenseits unserer rationalen Prägung bewusst wahrgenommen haben, fällt es von uns ab.

Vielleicht ist es das, was der Osten uns zu lehren hat, dass Wahrheit nicht etwas ist, das man sammelt, anhäuft und vorrätig hat, sondern etwas, das man betrachtet und dem man zuhört (vgl. dazu in: KRISHNAMURTI J.: Mensch sein, Über die Entfaltung der Freiheit, Theseus Verlag, Berlin, 1. Auflage, 2001, S 33 ff)?

„Alles Unrecht hat seinen Ursprung im Geist. Wenn der Geist verwandelt wird, wie kann dann Unrecht bleiben?“

Siddhartha Gautama, Buddha

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