
Wer bin ich als Mann?
Manchmal träumen wir davon, ähnlich wie der Marlboro-Man cool und lässig auf der Harley-Davidson durch die weiten des amerikanischen Westens auf der Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit zu reiten. Die kultigen Kino-Charaktere der 80er-Jahre wie die Ein-Mann-Armee John Rambo (Sylvester Stallone), der peitschenknallende Abenteurer Indianer Jones (Harrison Ford), der unzerstörbare Held im Trägerunterhemd McClane (Bruce Willis) und die steirische Eiche als Terminator (Arnold Schwarzenegger) - um nur die bekanntesten zu nennen - vermitteln uns ein Bild von Kraft, Aggression, Mut, Willensstärke und Selbstbewusstsein mit markigen Sprüchen, die nicht totzukriegen sind. Egal, ob wir diese Filme nun mögen oder nicht, hier werden auf Kinoleinwänden und Bildschirmen Komplementärbilder einer ins Wanken geratenen Männlichkeit gezeigt, die von der Filmindustrie geschickt in Szene gesetzt und in bare Münze umgewandelt werden.
Im realen Leben haben sich Rollenbilder geändert. Frauen verlassen verstärkt Heim und Herd, um sich Bildung, Beruf und Karriere zu widmen. Von Männern wird erwartet, dass sie sich ihrer weiblichen Seite zuwenden und Emotionalität, Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Sanftmut entwickeln. Es wird gefordert, dass Männer sich auch um den Haushalt und die Kinder kümmern. Aggression geht nicht und Gewalt schon gar nicht. Hinzu kommt ein Bildungssystem, das zwischenzeitlich in Kindergarten und Volksschule fast nur mehr Pädagoginnen beschäftigt. Männer als Vorbilder gehen mehr und mehr verloren. Sie fehlen nicht nur in den pädagogischen Einrichtungen, sondern vielfach auch Zuhause, weil sie abwesend im Büro oder in der Arbeit sind, von der die Mädchen und Jungs meist wenig mitbekommen. Landläufig spricht man hier von der „Vaterlosen Gesellschaft“.
Typisch männliche Qualitäten wie Disziplin, Ehrgeiz, Aggression und Pflichtbewusstsein stehen nicht mehr so hoch im Kurs und viele Männer schlittern in eine emotionale Abhängigkeit zu ihren Partnerinnen, verlieren sich in einer Diffusion der Geschlechterrolle, verfangen sich in einer überzogenen Angepasstheit an Wünsche anderer und suchen nicht selten bei anderen Frauen oder in der Einsamkeit Zuflucht. Die aktuellen Scheidungsraten sprechen eine deutliche Sprache.
Was also tun?
Der Weg zurück in alte Rollenbilder ist den meisten Männern versperrt. Daher müssen wir Männer uns ein Stück weit neu erfinden! Dass Frauen ganz allgemein den angepassten, fast hörigen, hoch sensiblen Frauenversteher ohne Biss und Macht lieben, den sie bemuttern können, stimmt zumeist nicht. Gleichzeitig lehnen immer mehr Frauen den klassischen Macho ebenfalls ab.
Es gibt auf die Entwicklungen keine einfachen Antworten. Entscheidend ist, dass wir Männer hier in einen Diskussions- und Auseinandersetzungsprozess eintreten. Unzweifelhaft besteht die Notwendigkeit, dass wir uns unserer weiblichen Seite stellen und diese nicht an die Frauen abgeben. Nur so können wir uns der eigenen Emotionalität stellen und das Heft in die Hand nehmen. Wenn es uns gelingt, aus der eigenen inneren Wahrnehmung und Intuition heraus die Richtung für unser Leben zu erkennen, können wir uns von der Bemutterung und weiblichen Bevormundung befreien und in einen gleichberechtigten Austausch eintreten. Wir müssen einen konstruktiven und ehrlichen Zugang zu unserer Aggression finden und jenseits von plattem Konkurrenz- und Anpassungsdenken unseren höchstpersönlichen Weg kraftvoll, mutig und bestimmt durchsetzen. Ein Mann der im Haus abwesend ist, kann nicht der Mann im Haus sein und wer nicht klar ein „Nein“ sprechen kann, wird auch nicht offen und ehrlich sich zu einem „Ja“ bekennen können.
Bei Männlichkeit geht es wohl noch immer um die Heldenreise, um Mythologie und die Verwirklichung von Archetypen wie dem „König“, dem „Krieger“, dem „Magier“ und dem „Liebhaber“ aber sie führt offensichtlich über unsere sensible Seite hin zu einer neuen Kraft und Wildheit. Allegorisch wird diese Reise im Märchen „Eisenhans“ von den Gebrüdern Grimm eingefangen. Alte Volksweisheit kann vielleicht auch in modernen Zeiten Halt und Richtung geben.